Mehr als 420 Airlines gibt es zurzeit in Europa. Während sich hier die fünf größten Anbieter zusammen rund 44 Prozent der Plätze teilen, sind in den USA 85 Prozent in den Händen von nur fünf Fluggesellschaften. Man kann also getrost von Überkapazitäten sprechen. Die Gewinnmargen sind begrenzt und so ist es kein Wunder, dass in den vergangenen Monaten mit Air Berlin, Monarch, Alitalia und Niki gleich vier Flugunternehmen eine Bruchlandung erlitten. Hieraus haben hauptsächlich die Lufthansa, die Bahn und seit Neuestem auch der Billigflieger Easyjet einen Vorteil gezogen. Welche Folgen haben die Airline-Pleiten aber bislang für Geschäftsreisende?

Am stärksten wirkte sich sicherlich die Air Berlin-Pleite auf den Geschäftsreisemarkt aus. Auch auf der Langstrecke war die Airline ein wichtiger Konkurrent der Lufthansa, die wiederum die innerdeutschen Strecken dominiert. So nutzten Ende 2016 beispielsweise fast 19.000 Unternehmen das von Air Berlin für Mittelständler entwickelte Serviceangebot „Business Points“. Nachdem am 27. Oktober 2017 die letzte Air Berlin-Maschine gestartet war, fielen mit einem Mal täglich insgesamt 240 Flugverbindungen mit 60.000 Sitzplätzen weg. Die Folge: Flugpreise stiegen kurzfristig in teils astronomische Höhen, Tickets wurden um bis zu 300 Prozent teurer.

Von der Krise profitierten größtenteils die Deutsche Bahn und Lufthansa. Sie füllten schnell die Löcher im Streckennetz. So nahmen Zugbuchungen im Fernverkehr um zehn Prozent zu. Besonders auf den ehemaligen innerdeutschen Verbindungen von Air Berlin stiegen viele Geschäftsreisende auf die Bahn um. Wer nicht in den Zug umstieg, musste jetzt bei der Lufthansa buchen und zahlte sehr viel höhere Preise. Der Wegfall ihres Hauptkonkurrenten bescherte der Kranich-Linie eine derart immense Nachfrage, dass das Unternehmen auf der Verbindung zwischen Frankfurt-Berlin kurzfristig sogar einen Jumbojet einsetzte.

Easyjet umwirbt Geschäftsreisende mit innerdeutschen Strecken

Vor allem aber profitierte ein drittes Unternehmen von der Air-Berlin-Pleite: Easyjet, bislang hauptsächlich als Billigflieger für Urlauber bekannt, drängt seit einigen Monaten verstärkt auf den deutschen Markt. Mit einem Marktanteil von neun Prozent ist die britische Airline bislang zwar nur die drittgrößte in Deutschland, (Spitzenreiter Lufthansa hatte bei innerdeutschen Flügen nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt schon vor der Air- Berlin-Insolvenz einen Marktanteil von knapp 72 Prozent, bei Europaflügen von deutschen Flughäfen waren es 36 Prozent.) doch das soll sich nach dem Willen von Easyjet-Chef Johan Lundgren bald ändern.

Lundgren machte kürzlich mit Erfolgszahlen und ehrgeizigen Deutschlandplänen von sich reden. 80 Millionen Fluggäste waren 2017 in den orangefarbenen Maschinen unterwegs, in diesem Jahr sollen es 90 Millionen werden. In Deutschland soll die Zahl der Passagiere auf 18 Millionen steigen und sich damit im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppeln. Berlin-Tegel wird zurzeit nach London zum zweitwichtigsten Drehkreuz ausgebaut, dafür stehen unter anderem 25 Flieger bereit, die von Air Berlin kamen. Sie fliegen seit Januar 19 neue Ziele in Deutschland und Europa an, darunter München, Düsseldorf, Wien und Zürich. Mit diesem Angebot, das weiter ausgebaut werden soll, richtet man sich ausdrücklich an Geschäftsreisende. 2016 nutzte bereits jeder fünfte Passagier die Airline geschäftlich, das Business-Segment verzeichnete zweistellige Wachstumsquoten. Und nach Firmenangaben zählten 80 Prozent der deutschen Spitzenunternehmen zu den Kunden – die meisten davon wollen allerdings anonym bleiben.

Und genau da offenbart sich auch eins der großen Probleme der Airline: Ihr Image als Billigflieger. Zwar gilt die Lufthansa gemein als hochpreisig. Das Traditionsunternehmen wird aber auch als zuverlässig und sicher bewertet. Erst vor Kurzem gewann die Unternehmensgruppe bei den diesjährigen Business Traveller Awards die ersten drei Plätze in der Kategorie „Beste Airline für Geschäftsreisende“ und siegte in der Kategorie „Bestes Internetangebot für Geschäftsreisende“.

Welche Rolle das Image mittel- und langfristig bei der Buchung von Geschäftsreisen spielen wird, lässt sich noch nicht sagen. Gegenwärtig bewegen sich die Flugpreise dank des wiederbelebten Wettbewerbs aber wieder in Richtung Normalniveau. Tickets für innerdeutsche Flüge waren Anfang Januar 29 Prozent günstiger als im vergangenen November. Geschäftsreisende müssen allerdings immer noch etwas tiefer in die Tasche greifen. Businessflüge sind im gleichen Zeitraum zwar gut 15 Prozent günstiger geworden, sind aber weiterhin 2,8 Prozent teurer als noch vor der Air Berlin-Pleite.

Das Angebot und dessen Preisgestaltung wird aufgrund der Veränderung im Markt und der wachsenden Bedeutung von alternativen „Playern“ im Airlinesegment immer differenzierter. Hier sind die neutrale Begleitung und das inhaltlich umfassende Angebot der Geschäftsreiseketten ein überaus hoch einzuschätzender Mehrwert für die Unternehmen.

Wirtschaftsboom bedeutet Reiseboom

Branchenexperten erwarten in diesem Jahr weitere Joint Ventures und weniger Preiswettbewerb im Luftverkehr. Die Kostenunsicherheit bei Unternehmen dürfte daher vorerst bestehen bleiben. Laut einer aktuellen Umfrage der Londoner Business Travel Show und der Fachzeitschrift BizTravel rechnen 62 Prozent der europäischen Travel Manager für 2018 mit steigenden Flugpreisen. Ein positives Gegengewicht stellt die gute Konjunktur dar, über die sich besonders Deutschland freuen kann. Dadurch steht vielen Unternehmen laut Umfrage ein größeres Reisebudget zur Verfügung. Trotz unsicherer Preisentwicklung planen 45 Prozent der europäischen Unternehmen daher sogar mehr Geschäftsreisen als im Jahr 2017.

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